Aktuell laufen 20 registrierte Studien weltweit, die das klassische Gichtmedikament Colcichin im Kampf gegen die Corona-Pandemie erproben (Stand: 21.9.2020). Das Mittel wird aus dem Gift der Herbstzeitlosen-Pflanze gewonnen und ist schon lange für seine schnelle, entzündungshemmende Wirkung beim Gichtanfall bekannt. Jetzt erhoffen sich Forschende weltweit, mit Colcichin schwere Verläufe von COVID-19 zu stoppen.
Inhaltsverzeichnis
Wieso ausgerechnet Colcichin bei Corona?
Seit Anfang des Jahres sind ForscherInnen weltweit auf der Suche nach einem Medikament, das schnell und effektiv gegen COVID-19 hilft. Statt aufwändig neue Wirkstoffe zu entwickeln, besinnen sich viele Ärztinnen und Ärzte auf altbewährte Medikamente, die vielleicht auch bei dieser Erkrankung funktionieren. Das ist nicht nur günstiger und schneller, sondern auch sicherer, weil Dosierung und Nebenwirkungen schon bekannt sind.
Das Gicht-Medikament Colcichin hat es auf die Liste der Hoffnungsträger gegen Corona geschafft. Für viele Menschen mit Gicht mag das überraschend klingen, denn Colcichin gilt schon seit einigen Jahren als zweite Wahl bei einem Gichtanfall. Meistens kann Colchizin die Gelenkschmerzen innerhalb eines Tages stoppen. Doch dafür löst das Pflanzengift typische Nebenwirkungen wie Durchfall und Übelkeit aus.
Der große Vorteil von Colchizin ist, dass der Wirkmechanismus gut bekannt ist und auf den schweren Verlauf von COVID-19 übertragbar sein könnte: Der pflanzliche Wirkstoff wirkt entzündungshemmend und lähmt die weißen Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten). So kann eine fulminante Entzündung, wie sie bei PatientInnen mit COVID-19 z.B. in der Lunge auftritt, möglicherweise eingedämmt werden.
20 Studien weltweit testen Colcichin gegen COVID-19
Der Wissensstand zur COVID-19-Therapie ändert sich in rasantem Tempo. Einen aktuellen Überblick über geplante und laufende Studien weltweit erlaubt das US-amerikanische Register ClinicalTrials.gov. Im September 2020 sind dort klinische Studien über Colchizin bei COVID-19 aus der Schweiz, Italien, Spanien, Griechenland, Russland, dem Iran, Bangladesch, aus den USA und Kanada, Mexiko, Kolumbien, Brasilien und Argentinien gelistet. Hier eine kleiner Überblick:
Im Inselspital Bern soll ab Oktober 2020 die CONVINCE-Studie eine kombinierte COVID-19-Therapie mit Colcichin als Entzündungshemmer und Edoxaban, einem neuen Gerinnungshemmer, austesten. Beides sind Medikamente, die man als Tablette auch Zuhause einnehmen kann. Damit wollen die Forscher gleichzeitig gefährliche Blutgerinnsel und überschießende Entzündungsreaktionen verhindern, ohne die Patienten dafür im Krankenhaus zu behalten. (NCT04516941)
In Barcelona testen Ärzte ab September 2020 eine klassische Gicht-Kombination aus Colcichin und Cortison als Alternative zur COVID-19-Standardtherapie. Sie probieren allerdings eine höhere Dosierung aus. Besonders die älteren Patienten ab 65 Jahre stehen dabei im Fokus, weil man sich von den langjährig erprobten Medikamenten mehr Erfolg erhofft als von aggressiver Intensivmedizin. (NCT04492358)
Colcichine wurde auch schon vor der Corona-Pandemie nicht nur als Gicht-Medikament eingesetzt, sondern in manchen Ländern auch bei Herzbeutelentzündungen. Da fast ein Drittel aller COVID-19-Infizierten Schäden am Herzmuskel erleiden, wollen Kardiologen in Miami (Florida) überprüfen, ob betroffene Krankenhauspatienten mit zusätzlicher Colcichin-Therapie bessere Überlebenschancen haben. Die Studie soll im September beginnen und zum Beginn nächsten Jahres Ergebnisse liefern. (NCT04510038)
Fazit: Colcichin gegen Gichtanfälle und COVID-19?
[adinserter block=”1″]
Ob die erhoffte Wirkung von Colcichin auch im klinischen Einsatz überzeugt, wird sich erst in einigen Monaten zeigen. Bei der Vielfalt an Studien auf der ganzen Welt und der weiter ansteigenden Anzahl von Corona-Patienten können wir auf aussagekräftige Ergebnisse gespannt sein.
Für Gicht-Betroffene würde sich aufs Neue bestätigen, dass auch pflanzliche Wirkstoffe messbare Erfolge bei der Therapie zeigen können. Neben Colcichin setzen viele bei der Gicht-Therapie z.B. auch ein Konzentrat der Montmorency Sauerkirsche ein.
Wer sich mit dem neuartigen Corona-Virus ansteckt und Symptome entwickelt, sollte sich auf die Erfahrung der Ärztinnen und Ärzte vor Ort verlassen. Colcichin ist wichtig für die Gicht-Therapie und sollte nicht auf eigene Faust gekauft und ausprobiert werden. In falscher Dosierung sind schwere Nebenwirkungen und Vergiftungen möglich.
Übrigens: Wer eine bekannte Gichterkrankung hat, sollte vorsichtig bei der Corona-Behandlung mit manchen antiviralen Medikamenten sein. Ein Fallbericht aus Japan berichtet von Gichtanfällen, die durch eine Favipiravir-Therapie ausgelöst wurden.





