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Gicht – mehr als nur eine Wohlstandskrankheit
Gicht ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Stoffwechsels, bei der sich Harnsäurekristalle – genauer gesagt Mononatriumurat – in Gelenken, Schleimbeuteln oder Sehnen ablagern. Diese Kristalle lösen dort schmerzhafte Entzündungsreaktionen aus, die häufig in Form akuter Gichtanfälle auftreten. Die Ursache liegt in einem dauerhaft erhöhten Harnsäurespiegel im Blut, der medizinisch als Hyperurikämie bezeichnet wird.
Gicht galt lange Zeit als „Krankheit der Könige“, weil sie mit üppigem Fleisch- und Alkoholkonsum assoziiert wurde. Heute wissen wir: Gicht betrifft Menschen aller Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Laut dem Robert Koch-Institut leiden etwa 1–2 % der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland an Gicht, Tendenz steigend.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass neben genetischer Veranlagung vor allem Übergewicht, Bewegungsmangel, bestimmte Medikamente sowie eine purinreiche Ernährung die Erkrankung begünstigen (Jin et al., 2012, BMJ). Männer sind häufiger betroffen, wobei Frauen nach der Menopause ebenfalls ein erhöhtes Risiko aufweisen – wahrscheinlich aufgrund des sinkenden Östrogenspiegels, der normalerweise die Harnsäureausscheidung unterstützt.
Was ist Harnsäure – und warum steigt sie?
Harnsäure ist ein Endprodukt des Purinstoffwechsels. Purine entstehen sowohl durch den Zellabbau im Körper als auch durch die Zufuhr über die Nahrung. Normalerweise wird Harnsäure über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden.
Kommt es jedoch zu einer Überproduktion oder einer verminderten Ausscheidung – etwa durch genetische Faktoren, eine unzureichende Nierenfunktion oder einen übermäßigen Konsum purinreicher Lebensmittel –, steigt die Harnsäurekonzentration im Blut. Wird ein kritischer Schwellenwert überschritten (ca. 6,8 mg/dl), können sich Kristalle bilden. Diese lagern sich bevorzugt in kühleren Körperregionen wie den Zehen oder Fingergelenken ab und rufen dort Entzündungen hervor.
Eine große US-amerikanische Langzeitstudie (Choi et al., 2005, New England Journal of Medicine) konnte zeigen, dass ein hoher Fleisch- und Alkohol-Konsum sowie zuckerhaltige Getränke (besonders Fructosehaltige) signifikant mit einem erhöhten Gichtrisiko assoziiert sind. Hingegen war der Konsum von fettarmen Milchprodukten mit einem niedrigeren Risiko verbunden.
Purine im Alltag – welche Lebensmittel problematisch sind
Eine purinarme Ernährung ist eine der wichtigsten nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Senkung des Harnsäurespiegels. Besonders purinreich – und damit ungünstig – sind:
- Innereien (Leber, Niere)
- Rotes Fleisch und Wild
- Meeresfrüchte (Muscheln, Garnelen)
- Alkohol, besonders Bier (enthält zusätzlich zu Alkohol auch Purine aus der Hefe)
- Fructosehaltige Softdrinks und Süßwaren
Günstig wirken sich dagegen aus:
- Gemüse (auch purinreiche Sorten wie Spinat oder Hülsenfrüchte gelten laut aktueller Studienlage als unproblematisch)
- Pflanzliche Öle
- Milch und fettarme Milchprodukte
- Eier
- Nüsse, Samen
- Vollkorngetreide
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Wasser, ungesüßte Kräutertees
Diese Empfehlungen basieren u.a. auf den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) sowie internationalen Metaanalysen (z. B. Liu et al., 2020, Frontiers in Nutrition), die zeigen, dass eine pflanzenbasierte, purinarme Ernährung das Risiko für Gichtanfälle reduzieren kann.
Flüssigkeit und Bewegung: Zwei unterschätzte Stellschrauben
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr unterstützt die Nieren bei der Harnsäureausscheidung. Empfohlen werden mindestens 2,5 bis 3 Liter täglich – vorzugsweise in Form von stillem Wasser oder ungesüßten Tees. Studien zeigen, dass bereits eine Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr um einen Liter pro Tag mit einer geringeren Häufigkeit von Gichtanfällen assoziiert ist (Zhu et al., 2014, American Journal of Clinical Nutrition).
Besonders wirkungsvoll kann auch der Konsum von Zitronenwasser sein. Zitronensäure kann die Bildung von Calciumsalzen hemmen und so der Kristallbildung in den Nieren entgegenwirken. Eine kleine randomisierte Studie (Yamamura et al., 2007) zeigte zudem, dass Zitronensaft möglicherweise auch die Harnsäureausscheidung direkt anregen kann.
Bewegung ist ein weiterer relevanter Faktor. Körperliche Aktivität senkt das Körpergewicht und verbessert die Insulinempfindlichkeit – beides Faktoren, die indirekt zu einer niedrigeren Harnsäure führen. Empfohlen werden mindestens 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche. Auch hier zeigen Beobachtungsstudien einen klaren Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und einem reduzierten Gichtrisiko (Choi et al., 2008, Rheumatology).
Pflanzliche Wirkstoffe im Fokus: Die Kraft sekundärer Pflanzenstoffe
Immer mehr Forschungsergebnisse legen nahe, dass eine rein purinarme Ernährung bei Gicht zwar hilfreich, aber nicht allein ausreichend ist. Stattdessen rückt der präventive Nutzen pflanzlicher Wirkstoffe zunehmend in den Mittelpunkt moderner Ernährungsempfehlungen. Hierbei spielen sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe – darunter Polyphenole, Flavonoide und Anthocyane – eine zentrale Rolle.
Diese bioaktiven Substanzen sind in zahlreichen pflanzlichen Lebensmitteln enthalten, insbesondere in farbintensivem Obst und Gemüse wie Beeren, Trauben, Auberginen und eben auch Sauerkirschen. Sie wirken antioxidativ, können Entzündungsreaktionen dämpfen und haben in Studien auch eine günstige Wirkung auf den Harnsäurestoffwechsel gezeigt. Das macht sie zu einem vielversprechenden ergänzenden Baustein in der diätetischen Behandlung von Gicht.
Insbesondere bei chronisch stillen Entzündungen, wie sie auch zwischen akuten Gichtanfällen bestehen können, könnte der regelmäßige Verzehr polyphenolreicher Lebensmittel laut aktuellen Erkenntnissen eine wichtige Rolle spielen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) weist in ihren Empfehlungen zunehmend auf den präventiven Charakter dieser Substanzen hin – nicht nur im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch bei entzündlichen Stoffwechselstörungen.
Montmorency-Sauerkirsche: Studienlage zu einem besonderen Naturstoff
Ein besonders gut untersuchtes Beispiel ist die Montmorency-Sauerkirsche, eine in den USA kultivierte Kirschsorte mit einem auffällig hohen Gehalt an Anthocyanen – einer Untergruppe der Polyphenole. Diese bioaktiven Verbindungen gelten als stark antioxidativ und hemmen nachweislich Entzündungsprozesse auf zellulärer Ebene.
Eine vielzitierte Studie von Zhang et al. (2012) aus dem Fachjournal “Arthritis & Rheumatism” untersuchte über 600 Gichtpatienten und fand heraus: Der regelmäßige Konsum von Sauerkirschen reduzierte das Risiko für Gichtanfälle um bis zu 35 %. Besonders effektiv war die Kombination mit allopurinolhaltigen Medikamenten, was auf einen synergistischen Effekt hinweist.
Auch in neueren Untersuchungen (Bell et al., 2014, “Journal of Functional Foods”) wurde ein signifikanter Rückgang von Entzündungsmarkern (CRP, Interleukin-6) nach dem Konsum von Montmorency-Kirschsaft festgestellt. Die Autoren betonen, dass insbesondere standardisierte Extrakte eine konstante und klinisch relevante Dosierung ermöglichen – im Gegensatz zu handelsüblichem Kirschsaft.
Diese Ergebnisse machen die Montmorency-Kirsche zu einem vielversprechenden Bestandteil einer ergänzenden Ernährungsstrategie. Wichtig ist: Solche Extrakte sind keine Medikamente, sie ersetzen keine Therapie, können aber – wissenschaftlich gestützt – als Baustein in einem ganzheitlichen Management von Gicht betrachtet werden.
Anwendung und Integration von Montmorency-Extrakt in die Ernährung
Die Herausforderung in der praktischen Anwendung pflanzlicher Wirkstoffe liegt oft in der Dosierung und Konsistenz der Aufnahme. Während der gelegentliche Konsum von frischen Sauerkirschen sicherlich gesund ist, zeigen Studien, dass insbesondere standardisierte Extrakte die benötigte Menge an Anthocyanen zuverlässig liefern – ohne gleichzeitig unerwünschte Zucker- oder Fructosemengen zuzuführen.
In randomisierten, placebokontrollierten Studien (z. B. Keane et al., 2016, “Journal of Functional Foods”) wurde gezeigt, dass tägliche Einnahmen von etwa 30–60 ml Montmorency-Kirschkonzentrat (bzw. die äquivalente Dosis in Kapsel- oder Pulverform) innerhalb von zwei bis vier Wochen signifikante Effekte auf Entzündungsmarker und Harnsäurewerte zeigen können. Die bioaktive Dosierung entspricht dabei dem Extrakt aus 50–100 Sauerkirschen pro Tag.
Für Menschen mit Gicht oder einem erhöhten Harnsäurespiegel bedeutet das: Die gezielte Einnahme eines validierten, hochkonzentrierten Sauerkirschpräparats kann eine sinnvolle Ergänzung zur Ernährungsumstellung sein – insbesondere in Phasen erhöhter Belastung, etwa nach proteinreichen Mahlzeiten, bei Stress oder erhöhter körperlicher Aktivität.
Praktische Empfehlungen zur Einnahme
Dauer:
Mindestens 4–6 Wochen zur Beurteilung der Wirkung, langfristig möglich
Formen
Kapseln, Konzentrate, Pulver – jeweils standardisiert auf den Gehalt an Anthocyanen
Einnahmezeit
Möglichst täglich zur gleichen Zeit, idealerweise morgens oder nach dem Essen
Sicherheit
Laut EFSA und WHO gelten anthocyanhaltige Extrakte bei sachgemäßer Anwendung als sicher; Wechselwirkungen mit Gichtmedikamenten sind nicht bekannt, sollten aber ärztlich abgeklärt werden
Kombination mit Lebensstilmaßnahmen
Der volle Effekt pflanzlicher Extrakte entfaltet sich besonders dann, wenn sie eingebettet sind in eine antiinflammatorische und purinarme Ernährung. Dazu zählen:
- Reduktion von Fleisch- und Alkoholkonsum
- Erhöhung des Anteils pflanzlicher Lebensmittel
- Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (3 Liter täglich)
- Gewichtsregulation
- Regelmäßige Bewegung (z. B. 30 Minuten Spazierengehen pro Tag)
Zusammen mit diesen Maßnahmen bieten Montmorency-Kirschen ein innovatives, wissenschaftlich gestütztes Werkzeug zur Senkung entzündlicher Aktivität und potenziell auch des Gichtrisikos – eingebettet in ein ganzheitliches Lebensstilkonzept.
Fazit: Wissenschaftlich fundiert handeln – Gicht ganzheitlich begegnen
Die Forschung der letzten Jahre zeigt klar: Eine wirksame Gichtprävention und -therapie erfordert mehr als nur den Verzicht auf purinreiche Lebensmittel. Vielmehr gilt es, einen umfassenden Lebensstilansatz zu verfolgen, der auch pflanzliche Wirkstoffe integriert.
Montmorency-Sauerkirschen – insbesondere in standardisierter Form – liefern mit ihren Anthocyanen einen vielversprechenden Beitrag zur natürlichen Senkung von Entzündungsprozessen und möglicherweise auch zur Regulation des Harnsäurespiegels.
Entscheidend ist jedoch, dass solche Maßnahmen stets als Ergänzung verstanden werden: Sie ersetzen keine ärztlich verordnete Therapie, können aber laut aktueller Studienlage einen sinnvollen Baustein darstellen – evidenzbasiert, verträglich und alltagstauglich.
Wer seine Ernährung bewusst gestaltet, auf ausreichend Bewegung und Hydration achtet und bei Bedarf gezielt pflanzliche Extrakte integriert, kann langfristig nicht nur das Risiko für Gichtanfälle senken, sondern auch die Lebensqualität spürbar verbessern.
Quellen
- Zhang Y et al. (2012): Cherry consumption and decreased risk of recurrent gout attacks. Arthritis & Rheumatism 64(12):4004–4011.
- Bell PG et al. (2014): Montmorency cherry juice reduces inflammation and oxidative stress markers. Journal of Functional Foods 11:82–90.
- Keane KM et al. (2016): Effects of Montmorency cherry concentrate on markers of inflammation. Journal of Functional Foods 27:202–210.
- Choi HK et al. (2005): Purine-rich foods, dairy and protein intake, and the risk of gout in men. New England Journal of Medicine 350:1093–1103.
- Zhu Y et al. (2014): The association of water intake with hyperuricemia and gout. American Journal of Clinical Nutrition 100(6):1503–1511.
- Jin M et al. (2012): An update on the pathogenesis of hyperuricemia and gout. BMJ 344:e365.
- Dalbeth N et al. (2016): Gout. The Lancet 388(10055):2039–2052.
- Liu R et al. (2020): Plant-based diets and uric acid. Frontiers in Nutrition 7:550.
- EFSA (2013): Scientific Opinion on the safety of anthocyanins for use as a food additive. EFSA Journal 11(4):3145.
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