Intervallfasten – auch intermittierendes Fasten genannt – liegt voll im Trend. Aber hilft Fasten auch gegen Gicht? Oder kann es einen Gichtanfall hervorrufen? In diesem Beitrag erfahren Sie, wie das Fasten auch mit Gicht klappt und welche Fasten-Fehler man unbedingt vermeiden sollte.
Inhaltsverzeichnis
Warum Fasten aktuell so beliebt ist
Dem Fasten wird seit Jahrhunderten eine reinigende Wirkung für Körper und Seele zugeschrieben. Auch für Menschen mit Gicht gibt es viele Gründe fürs Fasten, sei es religiös während der christlichen Fastenzeit oder im Fastenmonat Ramadan, aus gesundheitlichen Gründen zum Heilfasten, oder ganz einfach als Methode zum Abnehmen.
In den letzten Jahren häuften sich zudem die wissenschaftlichen Belege für die gesundheitlichen Vorteile des Fastens. Der phasenweise Nahrungsverzicht setzt zahlreiche Stoffwechsel-Prozesse im Körper in Gang, die von gesteigerter Insulinempfindlichkeit bis hin zum Hausputz auf zellulärer Ebene („Autophagie“) reichen. Wer Intervallfasten ausprobiert, soll nicht nur fitter und gesünder werden, sondern quasi nebenbei einige Kilos verlieren – ohne Kalorien zu zählen.
Achtung: Warum zu langes Fasten einen Gichtanfall auslöst
Das Gichtrisiko schnellt bei der freiwilligen Null-Diät jedoch in die Höhe, wenn man die Sache falsch angeht. Es klingt paradox, wo Gicht-Betroffene immer vor ihren Ernährungsgewohnheiten mit zu viel fettigem Essen und Fleischgerichten und vor Alkohol gewarnt werden. Auch der völlige Verzicht auf diese Lebensmittel soll einen Gichtanfall auslösen? Die Ursache für eine Gichtattacke liegt in diesen Fällen eben nicht an dem üblichen Verdächtigen – den Purinen – sondern an den Auswirkungen des (falschen) Fastens.
Das Risiko steigt mit der Dauer des Nahrungsverzichts. Wer bei klassischem Fasten einen ganzen Tag (24h) nichts isst, bei dem steigt der Harnsäurespiegel im Blut um etwa 0,5 – 2,1mg pro 100ml. Bei Gichtpatienten steigt der Wert im Durchschnitt um ca. 1,1 mg. Wer zwei ganze Tage kein Essen zu sich nimmt (48h), dessen Harnsäurewert steigt sogar um 1,9 – 3,5 mg pro 100 ml. [Maclachlan & Rodnan 1967]
Für diesen deutlichen Anstieg der Harnsäure beim Fasten sorgen mehrere Mechanismen, die sich gegenseitig verschärfen:
- Zum einen fährt die Niere ihre Urinproduktion herunter, so dass deutlich weniger Harnsäure aus dem Blut gefiltert und ausgeschieden wird. Sie häuft sich also im Blut an.
- Zum anderen gehen dem Körper die schnell verfügbaren Zuckervorräte zur Neige, weshalb er für die Energiegewinnung auf Fettabbau umsteigt. Die dabei gebildeten Ketonkörper (vor allem 3-Hydroxybutyrat) blockieren die Ausscheidung der Harnsäure in der Niere.
- Zudem senken die Ketonkörper den pH-Wert im Blut, was über die Atmung ausgeglichen werden muss und das Risiko für Harnsäurekristalle in den Gelenken erhöhen kann.
- Neben der Fettverbrennung werden auch Muskelzellen zur Energiegewinnung abgebaut. Dabei fallen körpereigene Purine an, die zu Harnsäure umgewandelt werden.
- Besonders gefährlich wird es für alle, die beim Fasten nicht nur auf Essen, sondern auch auf das Trinken verzichten. Das drosselt die Harnproduktion extrem und damit die Filterung der Harnsäure und anderer Abbauprodukte.
Die Gicht-Gefahr ist nicht vorbei, wenn die Fastenzeit vorbei ist
Wer nach tagelangem Fasten wieder Nahrung zu sich nimmt, kann einen raschen Abfall der Harnsäurespiegel auf den Ausgangswert beobachten. Das klingt nach großer Erleichterung, ist es aber häufig nicht.
Dabei ist es fast egal, was man isst. In einer Studie normalisierten sich die Harnsäurewerte auf den Wert vor dem Fasten, egal ob das Fastenbrechen mit proteinreicher Kost, purinarmen oder purinreichen (!) Lebensmitteln erfolgte. Mit einer entscheidenden Ausnahme: Wenn auf die Fastentage eine fettreiche Diät folgte, erholte sich die niedrige Harnsäureausscheidung nicht und die Werte stiegen sogar weiter an.
Viele Menschen erleiden nach Beenden des Fastens einen Gichtanfall, wenn die Harnsäurespiegel wieder gefallen sind. Denn tatsächlich ist nicht nur die erhöhte Harnsäure ein Problem, sondern auch der rasche Abfall der Harnsäurewerte. Ein Gichtanfall kann bis zu 5 Tage verzögert nach dem Ende der Fastentage auftreten.
Man geht davon aus, dass jede Veränderung des Harnsäurespiegel um mehr als 1 mg pro 100 ml – egal ab nach oben oder unten – das Risiko für einen Gichtanfall deutlich erhöht.
Nur eine Variante des Intervallfastens bei Gicht geeignet
Beim Intervallfasten wird nur für einen bestimmten Zeitraum pro Tag oder pro Woche auf Nahrung verzichtet, jedoch nicht auf Flüssigkeit. Die Länge des Fastenintervalls kann sich je nach Methode unterscheiden und individuell auf den Tag bzw. die Woche gelegt werden. Für Menschen mit Gicht eignet sich jedoch nur eine der gängigen Modelle.
Ungeeignet:
X Alternierendes Fasten
Beim alternierenden Fasten wechseln sich je ein Fastentag und ein Essenstag ab. Die Befürworter dieser Methode loben die simple Umsetzung im Alltag. Für Gichtgeplagte ist diese Art des Fastens jedoch ein erhebliches Risiko, da Harnsäurespiegel ständig ins Schwanken geraten und die 24h-Spanne zu lang ist.
X 5:2 Diät
Bei der 5:2 Methode werden zwei volle Fastentage pro Woche eingeplant, an denen nur kalorienfreie Getränke oder Brühe konsumiert werden. Diese Methode ist ein absolutes No-Go für jeden Gichtpatienten, da der Harnsäurespiegel am zweiten Tag sogar noch weiter ansteigt.
Empfehlenswert:
✓ Die 16:8-Methode
Bei der bekanntesten Variante des Intervallfastens wird 16 Stunden pro Tag gefastet und im frei wählbaren Zeitfenster von 8 Stunden gegessen. Wer gerne frühstückt, kann z.B. von 8 bis 16 Uhr essen. Die spätere Variante ohne Frühstück, z.B. von 12 Uhr mittags bis 20 Uhr nach dem Abendessen, ist genauso möglich.
Die 16 Stunden Fastenzeit reichen, damit der Körper den katabolen Stoffwechsel umstellt und mit Fettverbrennung beginnt. Der regelmäßige Wechsel mit „normalem Essen“ beugt den Risiken des zu langen Fastens vor und ist vom Zeitrahmen noch vertretbar.
Gleichzeitig ist es erlaubt, in der Fastenzeit zu trinken – egal ob Wasser, jegliche Form von Tee (ohne Zucker) oder schwarzen Kaffee. Das erlaubt der Niere weiterhin, die entstehende Harnsäure abzufiltern und auszuscheiden.
Studie: Ramadan als Intervallfasten – ohne erhöhtes Gichtrisiko
Ein lang etabliertes Beispiel für “Intervallfasten” stellt der muslimische Fastenmonat Ramadan dar. Millionen von Menschen weltweit fasten in dieser Zeit tagsüber, nachts darf gegessen werden. Bis auf das stark verschobene Zeitfenster ähnelt es der 16:8-Methode.
Im Ramadan sind Kranke vom Fasten entschuldigt. Allerdings gibt es eine interessante Studie mit muslimischen Gicht-Patienten, die regulär gefastet haben. Dabei zeigte sich am Ende des Fastenmonats keine erhöhte Anzahl an Gichtanfällen (Habib et al. 2014).
4 Tipps für Gicht-gerechtes Fasten
- 16:8-Intervalle einhalten: Manchmal lässt sich das Fastenbrechen vielleicht noch um eine Stunde länger hinauszögern. Doch wer sein Gichtrisiko nicht unnötig steigern möchte, sollte hier keinen falschen Fasten-Ehrgeiz entwickeln.
- Mäßige Anstrengung: Auch in dem Fastenintervall tut Bewegung gut, allerdings sollte Sport nur mäßig dosiert werden. Bei zu starkem Sport steigt der Laktatspiegel rasch an und schränkt die Harnsäure-Ausscheidung weiter ein. Am besten ist Sport in den 8 Stunden mit Essenszeiten.
- Viel Trinken: Egal ob Leitungswasser, Sprudel, Kräutertee, schwarzer Tee oder Kaffee ohne Milch – es gibt viele Getränke, die keine Kalorien haben und den Insulinspiegel in Ruhe lassen. Während des Fastens ist es sinnvoll, auf das Durstgefühl zu hören und 1-2 Liter Flüssigkeit zu trinken.
- Richtig Fastenbrechen: In den 8 Stunden kann man praktisch alles essen, was sonst auch auf den Tisch kommt. Mit Blick auf das Fastenintervall ist es sinnvoll, auf zu viele Fette zu verzichten (sie lassen den Harnsäurespiegel nicht wieder sinken) und genug Proteine einzuplanen (um den Muskelabbau auszugleichen). Für Menschen mit Gicht sind z.B. Whey-Proteine, also Eiweißpulver aus Molke, einen Versuch wert, um auf die benötigte Menge zu kommen. Fettarme Milchprodukte sind eine einfache Lösung. (Dessein et al 2000)
Fazit
Auch mit Gicht ist Intervallfasten möglich – wenn einige Regeln beachtet werden. Denn Fasten kann auch nach hinten losgehen und die Harnsäurewerte und damit das Gichtrisiko nach oben schnellen lassen.
Die 16:8-Methode bietet sich dafür an, gesund zu fasten ohne einen Gichtanfall zu riskieren. Ganz wichtig ist dabei, über den ganzen Tag hinweg Wasser zu trinken. Ein durch das Intervallfasten erzielter, langsamer Gewichtsverlust kann schließlich dabei helfen, das eigene Gichtrisiko deutlich zu senken.
Quellen
- Dessein P.H., Shipton E.A., Stanwix A.E., Joffed B.I., Ramokgadie J. Beneficial effects of weight loss associated with moderate calorie/carbohydrate restriction, and increased proportional intake of protein and unsaturated fat on serum urate and lipoprotein levels in gout: a pilot study. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10873964/
- Habib G., Badarny S., Khreish M., Khazin F., Shehadeh V., Hakim G., Artul S. The impact of ramadan fast on patients with gout. J. Clin. Rheumatol. 2014;20:353–356. doi: 10.1097/RHU.0000000000000172. - DOI - PubMed
- Maclachlan M.J., Rodnan G.P. Effect of food, fast and alcohol on serum uric acid and acute attacks of gout. Am. J. Med. 1967;42:38–57. doi: 10.1016/0002-9343(67)90005-8.